Bei jedem Zubereiten von Speisen entstehen neue Formen. Es ist ein großer Unterschied, ob man das Schneiden der Gemüse, Nüsse oder Kräuter nur als Zerkleinern sieht oder als eine Möglichkeit neue Formen zu gestalten. Im ersteren Fall kann es leicht als lästige zeitraubende Pflicht empfunden werden, im zweiteren Fall wird es zu einer kreativen und anregenden Tätigkeit.
Eine interessante Analogie hierzu stellt der Verdauungsprozess dar. Der Verdauungsprozess ist ein Verwandlungsprozess, in dem ständig neue Formen gebildet werden. Aus den Kohlehydraten, Eiweißen und Fetten der Gemüse und Getreide werden im Körper die Zucker, Eiweiße und Fette nun als menschliche Substanzen aufgebaut. Das Schaffen menschengemäßer Formen, ist das Ziel der Verdauung. Es entstehen neue, ganz individuelle Eiweißformen, die kein Mensch mit einem anderen Lebewesen gemeinsam hat.
Zubereitung und Verdauungstätigkeit sind aufeinander folgende Prozesse, damit menschliche Formen entstehen können. Deshalb kann es auch beim Zubereiten nicht um ein bloßes Zerkleinern gehen, sondern darum, geeignete Formen zu gestalten, die die Nahrung dem Menschen näher bringen. Zubereiten und Verdauungsprozess gehen Hand in Hand, um die pflanzlichen und tierischen Substanzen sowie auch die Ätherkräfte, die das pflanzliche und tierische Leben aufrecht erhalten, in menschliche Formen überzuführen.
Wenn nun die Gemüse oder Salate auf dem Feld geerntet werden, sind sie noch ganz in ihrer pflanzlichen Natur und ihren eigenen Lebens- und Ätherkräften beheimatet und damit noch sehr weit von jeglicher menschlicher Form entfernt. Der Weg des Verwandelns und Neugestaltens, beginnt mit den ersten Handlungen des Kochs.
Wenn er die Salatblätter wäscht, verlieren sie bereits ein wenig von ihrer eigenen pflanzlichen Dynamik. Beim anschließenden Zupfen des Salates und Schneiden der Gemüse verlieren sie weiterhin einen Teil ihrer pflanzlichen Natur. Und im selben Maße können mit jedem Zubereitungsschritt neue Lebenskräfte hinzu kommen, wenn der Koch die Formen die er gestalten will, nicht beliebig wählt, sondern sie aus der Wahrnehmung zu den Menschen und seinen Kenntnissen über die Nahrungsmittel, gestaltet.
Der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt und er wird mit etwas Feingefühl diejenigen Formen wählen, mit denen er die Menschen fördern kann. Feine Stifte wirken beispielsweise zarter als Würfel oder runde Scheiben. Große Würfel erzeugen beim Essen ein kräftigeres Empfinden als ganz kleine. Auch die Getreide können sich als Fladen oder Bratlinge manchmal besser eignen, als in Form von Grütze, Cremespeisen oder als ganze Körner gekocht.
Wenn der Koch den Teig mit seinen Händen bereitet, lässt er ebenfalls neue Formen entstehen. Und schließlich beeinflusst auch der Hitzeprozess die Formen, denn zu lange gekochte Gemüse zerfallen und verlieren Form und Nährstoffe, während zu wenig gedünstete Gemüse hart bleiben und ihre Form einseitig die Speisen dominiert. Selbst beim Aufwärmen von Speisen kann die Vorstellung, ein neues Gericht zu servieren, leitend sein. Anstatt das Essen von gestern noch einmal aufzutischen, kann es mit einigen wenigen Veränderung neu aufbereitet werden.
Sehr vielfältige Möglichkeiten für abwechslungsreiche Gestaltungen – und dies ohne großen Zeitaufwand – bieten neben anderen Gemüsen die Karotten an, so dass es der Koch sogar wagen kann, in kargen Winterszeiten jeden Tag Karotten zu servieren. Einmal als sanfte Karottencremesuppe, dann als liebliches Blümchengemüse oder in kräftiger Form, als halbierte Karotten in der Pfanne würzig geschmort, findet sich für jeden Tag eine geeignete Idee. Und sogar der Geschmack wird je nach Form etwas verschieden sein. Durch die kreative Kraft des Kochs würde nicht das Gefühl einer faden Wiederholung entstehen, sondern einer reichhaltigen und erbauenden Vielfalt, die die Karotten belebt.